Es ist immer wieder spannend, welche denkwürdigen Lektionen uns das Leben von Zeit zu Zeit beschert. Vor allem, wenn wir in kritischen Situationen verhaften und krampfhaft nach Lösungen suchen. Prinzipiell würde ich mich als geduldigen Menschen bezeichnen, der weiß, dass manche Herausforderungen einfach eine gewisse Zeit brauchen, bevor wir sie mit gutem Gefühl für uns meistern können. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob sich diese Situationen im Privat- oder Berufsleben ergeben.
Eine Bekannte aus meinem näheren Umfeld, nennen wir sie einfach mal Sofia, ist für mich immer wieder ein Phänomen. Einerseits bezeichnet sie sich selbst als total „gechillt“ und in sich ruhend. Andererseits begegnet sie mir häufig in einer völlig anderen Version ihrer selbst. Hektisch, unter Hochstrom stehend und immer am Anschlag. Kurz vor einer Explosion. Kein Wunder, wenn man zu viele Dinge in zu kleinen Zeitfenstern erledigen will. Allein schon vom Zuhören wird mir schwindelig. Erlaube ich mir dann in solchen Momenten zu fragen, ob alles in Ordnung sei, kassiere ich als Antwort eine kleine Verbalattacke.
Witzigerweise empfinden sich solche Menschen selbst als entspannt. Das behaupten sie zumindest, während sie auf ihr Smartphone einhacken und sich mit gesenktem Blick mit mir unterhalten. Für mich ein ungutes Gefühl und Paradebeispiel, dass Multitasking meistens schief geht. Irgendwas bleibt immer auf der Strecke. Ganz abgesehen von der nonverbalen Kommunikation, die zwischen zwei Menschen in solchen Momenten auf einer völlig unentspannten Ebene stattfindet. Die eine steht unter Strom und ist dann nicht mehr belastbar. Die andere fühlt sich unverstanden und nicht gesehen.
Bei Sofia würde ich mich nicht wundern, wenn sie eines Tages tatsächlich mit Burnout-Syndrom beim Psychologen sitzt. Sie gehört definitiv zu den Menschen, die glauben, sie könnten am Gras ziehen, damit es schneller wächst. Sofern das ginge, würde sie die dann scheinbar gewonnene Zeit vermutlich nicht als Qualitytime für sich selbst nutzen. So wie ich sie bisher kennen gelernt habe, wäre diese Zeit sofort wieder mit weiteren Projekten verplant. Noch schnell auf ein Wochenend-Seminar düsen, bei dem man lernt, welche Methoden es zur Entspannung gibt. Mit einem Kopf voller scheinbar praktikabler Lösungen hetzt sie dann wieder nachhause, um genauso wie bisher weiter zu leben. Hauptsache, man hat wieder was Neues gelernt.
Als Quintessenz dieses Phänomens werde ich immer ruhiger und gelassener. In der Ruhe liegt wirklich Kraft. Ein sehr schönes Sprichwort lautet: „Wenn du es eilig hast, gehe langsam“. So und nun werde ich tief ein- und wieder ausatmen und mich darüber freuen, dass ich mir meine kleinen Auszeit-Inseln bewahrt habe. Dort gibt es haufenweise Sand und keinen einzigen Grashalm, an dem man ziehen könnte.
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