Wann warst du eigentlich zum letzten Mal in einer Kirche? Mich trifft man da eher selten an. Am liebsten mag ich kleine Marienklausen im Gebirge oder Marterl (bayerisch für Bildstock oder Heiligenstock) am Wegesrand, also eher Sakrales in der Natur. Klassische Kirchen besuche ich eher spontan oder wenn etwas Besonderes auf dem Programm steht. So war es dann auch am vergangenen Wochenende, als ich über eine Bekannte von einem Münchner Gospel- und Jazzchor hörte, der ganz in meiner Nähe ein bunt gemischtes A Capella-Konzert gab. Die Chormitglieder sangen wunderschöne, zu Herzen gehende Spirituals, Gospels, deutsche und bayerische Weihnachtslieder.
Verzückt sank ich in die teils sanft-wehmütigen, teils fröhlichen Gesänge. In meinem Kopf entstanden Bilder, die mich in eine andere Welt zauberten. Ich dachte an die Adventszeit, die schon zur Hälfte vorbei ist und sinnierte ein wenig über die Bedeutung des Wortes „Advent“. Abgeleitet vom lateinischen Begriff „advenire“, ankommen, hat es hinsichtlich der Geburt von Jesus zwar in erster Linie eine religiöse Ausprägung. Im übertragenen Sinne ist es für mich jedoch auch der Rückblick auf das vergangene Jahr, das nach dem 24. Dezember nur noch sieben Tage dauert. Wir kommen also am Jahresende an und befinden uns damit auf einer Weiterreise ins Ungewisse. Weihnachtssong: I wonder as I wander
Symbolisch schreiben wir ein neues Kapitel unseres Lebens. Manchmal ganz still und leise, kaum spübar. Dann wiederum gibt es auch gravierende Veränderungen, die uns in neue Dimensionen katapultieren und zu einem massiven Umdenken zwingen. Seien es Trennungen in Beziehungen, längst fällige Jobwechsel, Krankheiten oder andere, aufwühlende Ereignisse. Für viele Menschen birgt ein Umbruch der bisherigen Lebensverhältnisse große Ängste. Nicht zu wissen, wie es weitergeht, was als Nächstes kommt, ist bitter und lähmt uns. Advenire? Wo und wann? Was passiert, wenn diese Durststrecken noch länger dauern und wir wüssten plötzlich davon? Meiner Meinung nach ist es dann nicht leichter sondern schwerer.
Stell dir vor, du wärest zum Beispiel frisch getrennt und jemand würde dir sagen, es dauert noch zwei Jahre oder länger, bis dein Herzensmensch oder Seelenpartner deinen Weg kreuzt. Wie würdest du mit diesem Wissen die nächsten Tage, Wochen und Monate leben bzw. erleben? Wie stünde es mit deiner Lebensfreude? Oder dein aktueller Job füllt dich nicht mehr aus, du bist ausgebrannt oder möchtest mit etwas völlig Neuem durchstarten. Wie motiviert würdest du deinen Alltag meistern, wenn du wüsstest, dass du dich noch mehrere Monate oder sogar länger gedulden müsstest, um deinen Weg zu finden. Sicherlich keine leichte Aufgabe, mit diesem Wissen. Natürlich ertappe ich mich auch manchmal dabei, am liebsten in eine Glaskugel zu blicken, um dort Antworten auf meine Fragen zu finden. Doch was, wenn mich diese eher verwirren oder deprimieren. Gibt es überhaupt so etwas wie „advenire“ oder ist es nicht eine lange Reise, mit vielen unterschiedlichen Wegen und Zielen.
Durch den Nebel meiner Gedanken drang ein zartes Weihnachtslied, das mich wieder zurück auf die hölzerne Bank, in die weihnachtlich geschmückte Kirche, zog. Ich ließ mich von den Liedern verzaubern und spürte eine große Dankbarkeit und Wärme in mir. Eine Dankbarkeit, in einem friedlichen Land zu leben, frei entscheiden zu dürfen, was ich gerne aus meinem Leben machen möchte. Ich blickte nach rechts, links und drehte mich um. Die Kirche war voller Menschen und ich spürte trotzdem eine wundervolle Ruhe. Wie schön, so viel Inspiration von einem Chorabend mitnehmen zu dürfen und mit einer ordentlichen Portion Hoffnung nach Hause zu gehen.
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