Neulich hat es mich wieder gepackt. Das Bergfieber. Vor allem im Herbst, wenn die Natur noch einmal alles gibt, bevor sie sich in den Winterschlaf verabschiedet, locken mich die Gipfel. Im Münchner Umland haben wir eine Menge reizvoller Berge, deren Anstiege sehr unterschiedlich sind. Manche begeistern Wanderer, wenn sie sich ganz gemächlich, auf breiten Forstwegen, nach oben schlängeln. Andere wiederum führen ziemlich steil nach oben und bieten auf ihren schmalen, felsigen Pfaden wesentlich mehr Fun. Nachdem meine Kondition ganz passabel ist, entschied ich mich für die zweite Variante. Am Vorabend legte ich meine Wanderschuhe parat, zu denen sich Rucksack und Wanderstöcke gesellten.
Als mich der Wecker um 7 Uhr aus dem Bett klingelte, schlich ich etwas müde ins Bad und bereitete nach einer erfrischenden Dusche meinen Proviant zu. Zwei leckere Vollkornsemmeln, eine Orange, ein Müsliriegel und ausreichend Wasser sollten mich heute sattmachen. Nachdem alles sorgsam im Auto verstaut war, ging es los, Richtung Tegernsee. Bereits hinter der Ausfahrt Holzkirchen offenbarte sich mir ein faszinierendes Alpenpanorama. Gipfel an Gipfel reihte sich wie eine prachtvolle Krone aneinander. Umsäumt von gelben, orangefarbenen und roten Bäumen, die mit himmelblauen Samt kuschelten. Die Sonne tauchte das Szenario in ein traumhaftes Licht und ich musste aufpassen, mich beim Fahren von so viel Schönheit nicht ablenken zu lassen.
Mein auserwählter Berg sollte heute der Schildenstein sein, auf den man über unterschiedliche Routen gelangen konnte. Nachdem ich Forstwege nicht so gerne mag, wählte ich den anspruchsvolleren Anstieg über die Wolfsschlucht, die mehrere, kleine Kletterpassagen bereit hielt – gesichert über fest montierte Drahtseile. Erfreulicherweise hatte es die letzten Tage nicht geregnet, sodass die Klettertour absolut rutschfrei war. Nachdem ich die erste Passage hinter mir hatte und der Weg über Wurzeln und größere Steine führte, spürte ich in meinem Körper ein herrliches Kribbeln. Das lag nicht nur an der stärkeren Durchblutung, sondern auch an der riesigen Menge von Glückshormonen, die in mir herumwirbelten. Keine Viertelstunde später befand ich mitten im nächsten Klettersteig der nach mehreren Biegungen einen ersten Blick auf den Gipfel bot. Bis dahin sollte es nochmals gute dreißig Minuten dauern.
Witzigerweise begegnete ich während meiner ganzen Tour fast ausnahmslos Wanderern, die höchstens Mitte Dreißig waren. Als Ü40-Frau musste ich schmunzeln und überlegte wo sich denn die etwas reiferen Bergfreunde versteckten. Die Antwort kam schneller als gedacht. Auf dem überlaufenen Gipfel saßen sportliche Ü60er, die mit dem Alpenverein in einer größeren Gruppe unterwegs waren. Respekt, dachte ich mir. Wie fit doch manche Leute in diesem Alter noch sind. So möchte ich später auch mal sein. Runde drei Stunden dauerte der Anstieg und entsprechend ausgehungert fiel ich über meinen Proviant her und schüttete fast eine ganze Flasche Wasser hinterher. Dieses Gefühl, wenn man aus eigener Kraft auf den Berg steigt und zur Belohnung einen Wahnsinns-Blick über die österreichischen und deutschen Alpen hat, ist einfach überwältigend. Alle Mühen und das heimliche Fluchen, warum nur auf die irrwitzige Idee kam, so eine herausfordernde Tour zu gehen, sind vergessen. Hier oben ist alles möglich. Grenzen verwischen und Barrieren scheinen nicht zu existieren. Glücksdoping auf einem Berggipfel. Der anschließende Rückweg führte nicht mehr über die heftige Wolfsschlucht, sondern über sanfte Almwiesen und bunte Herbstwälder. Wäre ich Maler oder Dichter, hätte ich mich wahrscheinlich noch länger an dem farbenfrohen Naturspektakel erfreut und später in einer der Hütten übernachtet.
Losgelöst von störenden Gedanken und Gefühlen ging ich also meinen Weg bewschwingt zurück und fing vor Freude an zu singen. Nachdem sich außer mir weit und breit kein anderer Wanderer befand, war das eine wunderbare Ergänzung zu meiner von Glück erfüllten Seele. Wärmende Sonnenstrahlen begleiteten mich zum Parkplatz und ich fuhr wieder nach Hause. Mit einem Lächeln. Und einer großen Portion Zuversicht.
2 Kommentare
Linda
29. Oktober 2018 at 9:44Oh ich muss es unbedingt auch nochmal in die Berge schaffen bevor es dann Winter wird.
Suzanne
11. November 2018 at 19:03Oh ja, die Berge können einem so viel geben…..